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Hersteller

Die Manipulation von Schutzeinrichtungen an Maschinen ist in vielen Betrieben anzutreffen. Unter Manipulation ist jedes Umgehen oder Unwirksammachen von Schutzeinrichtungen zu verstehen. Oft führt eine Manipulation zu schweren oder gar tödlichen Unfällen. Die Gründe, warum Maschinenbediener diese manipulieren sind vielfältig: Schnelleres Arbeiten, fehlende Betriebsarten, ungünstige Arbeitsprozesse und vieles mehr. Der Maschinenhersteller ist dazu verpflichtet, den Manipulationsanreiz zu mindern und so ein sicheres Arbeiten zu ermöglichen.

Entwurf

Schon beim Entwurf der Maschine hat der Maschinenhersteller die Möglichkeit das spätere Manipulationsverhalten der Anwender zu beeinflussen. Das Design der Maschine muss das Schutzkonzept berücksichtigen. Das erhöht nicht nur die Sicherheit, sondern spart auch Kosten. Muss das Schutzkonzept in einer späteren Phase geändert werden, ist dies in der Regel mit höheren Kosten verbunden.

Anforderungen genau festlegen

Der Hersteller muss mit den Verantwortlichen der Betreiberfirma neben den an der Maschine durchzuführenden Arbeitsaufgaben auch den vorgesehenen Einsatzzweck der Maschine klären. Hierzu zählen unter anderem die zu erwartenden Umgebungsbedingungen und die Eigenschaften des zu bearbeitenden Materials.

Auf diese Weise kann die Eignung der Maschine für den vorgesehenen Einsatzzweck sichergestellt und eine Umgehung der Schutzeinrichtungen weitestgehend verhindert werden.

Schutzkonzept und Maschinenfunktion gleichzeitig entwickeln

Wird das Schutzkonzept gemeinsam mit der Funktion der Maschine geplant, können Schutzeinrichtungen so gestaltet werden, dass sie den Maschinenbediener möglichst nicht stören.

Bei der Planung des Schutzkonzepts sind alle Betriebsarten und alle Tätigkeiten an der Maschine zu berücksichtigen, dazu zählen unter anderem das In-Betrieb-Nehmen, die Einrichtung, die Instandhaltung, die Fehlersuche und -beseitigung und die Reinigung der Maschine.

Umfassende Informationen für Herstell- und Handelsfirmen zum Thema Manipulation finden sich in der DGUV Information 209-092.
Manipulationsanreiz bestimmen

Nach der Entwicklung des Schutzkonzepts muss geprüft werden, ob für die vorgesehenen Schutzeinrichtungen ein Manipulationsanreiz besteht. Auch der zukünftige Maschinenbetreiber kann hierzu wertvolle Hinweise liefern. Bei bestehenden Manipulationsanreizen an der Maschine muss der Entwurf der Maschine geändert werden.

Zur Prüfung von Maschinen auf Manipulationsanreize wird in der EN ISO 14119 und TRBS 1151 ein Verfahren beschrieben (siehe Praxishilfen – Manipulationsanreiz bestimmen). Auf der Internetseite https://masem.ifa.dguv.de ist das Verfahren als Web App verfügbar.

Konstruktion

Die Herstellfirma ist dazu verpflichtet, die Anforderungen der EG-Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) einzuhalten. Das Schutzkonzept muss verhindern, dass Schutzeinrichtungen auf einfache Weise, das heißt mit leicht verfügbaren Hilfsmitteln, umgangen oder unwirksam gemacht werden können (Anhang I, 1.4.1).

Stop Defeating - Manipulationsanreiz mindern
Manipulation verhindern

Bei einer Maschine ohne Manipulationsanreiz sind Bedien- und Schutzkonzept in einer Weise aufeinander abgestimmt, dass die Bedienperson durch die Schutzeinrichtungen keine Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs wahrnimmt. Für sämtliche, an der Maschine durchzuführende Arbeitsaufgaben gibt es geeignete Schutzkonzepte und Betriebsarten.

Gleichzeitig trägt die Zuverlässigkeit der Maschine dazu bei, Fehler zu vermeiden, die einen zusätzlichen Anreiz zur Manipulation bieten könnten.

Die Manipulation wirksam zu verhindern, setzt voraus, die Reihenfolge der Maßnahmen zur Risikoreduzierung aus der EN ISO 12100 einzuhalten. Sind Risiken bereits konstruktiv gemindert worden, bedarf es unter Umständen keiner weiteren Schutzmaßnahmen. Dadurch wird eine spätere Manipulation fast ausgeschlossen.

Bei der Gestaltung von Maschinen und Schutzeinrichtungen muss der Hersteller sicherstellen, dass ergonomische Grundsätze berücksichtigt werden:

  • leicht zugängliche Wartungs- und Instandhaltungsbereiche
  • Anzeigen müssen klar und eindeutig sein
  • die Bedienung der Befehlseinrichtungen muss einfach und verständlich sein
  • Schutzeinrichtungen müssen eine ausreichende Sicht auf den Arbeitsprozess zulassen.
Auf der Seite des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV finden Sie eine Checkliste zur ergonomischen Gestaltung von Maschinen (DGUV Information 209-068, Ergonomische Maschinengestaltung – Checkliste und Auswertungsbogen).

Bei der Entwicklung der Maschinensteuerung muss berücksichtigt werden, dass Prozessabläufe klar gegliedert sind und logisch aufeinanderfolgen. Es muss möglich sein, Produktionsabläufe zu unterbrechen, um zum Beispiel Fehler zu suchen und zu beseitigen, Prozessparameter nachzustellen oder die Qualität zu prüfen. Dabei ist auf eine Minimierung von Zeit- und Materialverlust zu achten. Es müssen sichere Möglichkeiten vorgesehen werden, um alle vorhersehbaren Fehler zu beseitigen.

Ist nach Umsetzung der manipulationsverhindernden Maßnahmen noch ein Manipulationsanreiz vorhanden, ist die Manipulation der Maschine zu erschweren, oder es sind Maßnahmen umzusetzen, die die Manipulation einer Schutzeinrichtung erkennen.

Manipulation erschweren

Ist für die Manipulation einer Schutzeinrichtung kein hoher zeitlicher oder materieller Aufwand nötig, ist selbst bei geringem Manipulationsanreiz nicht auszuschließen, dass sie manipuliert wird.

Verriegelungen für trennende Schutzeinrichtungen werden am häufigsten manipuliert. Gegen das Umgehen solcher Schutzeinrichtungen nennt die EN ISO 14119 folgende Maßnahmen:

  • Verhindern der Zugänglichkeit zu den Elementen der Verriegelungseinrichtung durch Anbringen außer Reichweite, Hindernisse oder Abschirmung oder Anbringung an verdeckter Position
  • Verhindern einer Ersatzbetätigung der Verriegelungseinrichtung durch leicht verfügbare Gegenstände, durch Verwendung kodierter Betätiger
  • Verhindern der Demontage oder Lageänderung von Elementen der Verriegelungseinrichtung mittels nicht-lösbarer Befestigungen (z. B. Schweißen, Kleben, Einwegschrauben, Nieten);
  • Verhindern eines Umgehens durch eine Umgehungsüberwachung in der Steuerung, durch Zustandsüberwachung oder periodische Prüfungen (siehe Abschnitt ‚Manipulation erkennen‘)
Manipulation erkennen

Dort, wo es sinnvoll ist, sollten Sicherheitsfunktionen und -bauteile sowohl in ihrer Funktion als auch in ihrer zum Prozessablauf passenden Stellung von der Maschinensteuerung überwacht werden. Auf diese Weise wird die Manipulation einer Schutzeinrichtung in der Maschinensteuerung rechtzeitig erkannt und man kann darauf entsprechend reagieren.

Hierfür haben sich folgende Verfahren als geeignet erwiesen:

  • Zustandsüberwachung: die Plausibilitätsprüfung erkennt während eines Maschinenzyklus eine ungewöhnliche Abfolge von Zuständen. Die Systemsteuerung erwartet beispielsweise das Öffnen einer Tür in einem bestimmten Maschinenzyklus. Das Fehlen des Steuersignals weist auf eine manipulierte Schutzeinrichtung hin.
  • periodische Prüfungen: der Bediener wird von der Steuerung zur Betätigung der Schutzeinrichtung aufgefordert. Das Fehlen des erwarteten Steuersignals weist auf eine manipulierte Schutzeinrichtung hin.

Als mögliche Reaktion auf eine erkannte Manipulation sollten in der Steuerung Maßnahmen implementiert sein, die eine wiederholte Manipulation durch den Bediener unattraktiv machen, z.B.:

  • Verzögern des erneuten Prozessstarts
  • Verhindern des erneuten Prozessstarts
  • Nicht unmittelbar quittierbare Meldung der Manipulation
In der DGUV Information 203-079 „Auswahl und Anbringung von Verriegelungseinrichtungen“ finden Sie weitere Hinweise zum Verringern von Umgehungsmöglichkeiten (Kap. 5.8).

Beispiele aus der Praxis für die in diesem Abschnitt genannten Maßnahmen finden Sie im Abschnitt Praxishilfen – Konstruktionsbeispiele.

Dokumentation

Die Betriebsanleitung muss verständlich geschrieben und so strukturiert sein, dass alle relevanten Inhalte schnell gefunden werden können.

Die sichere Durchführung aller an der Maschine notwendigen Tätigkeiten muss in der Betriebseinleitung beschrieben sein. Dazu gehören auch die hierfür vorgesehenen Betriebsarten und Schutzmaßnahmen, insbesondere für Instandhaltung und Fehlerbehebung.

Insbesondere auf die Anwendung von technischen Einrichtungen wie z.B Zustimmeinrichtung oder eine mögliche Verwendung eines Tippbetriebs sollte eingegangen werden.

Dabei ist auch die erwartete Qualifikation der Personen zu beachten, die Handlungen an der Maschine durchführen.

Folgende Angaben sollten in einer Betriebsanleitung enthalten sein, um den Manipulationsanreiz zu reduzieren.

  • Beschreibungen von eingebauten Diagnosesystemen als Hilfe zur Fehlererkennung
  • eine Liste der Anzeigen zur Fehleridentifizierung und -lokalisierung
  • erforderliche Werkzeuge und Materialien
  • Hinweise zum Start von Standby- oder Ersatzsystemen und zum Ausschalten und Isolieren von fehlfunktionierenden Einheiten
  • Informationen zur Störungsmeldung und -lokalisierung

Sollte beim Erstellen der Betriebsanleitung festgestellt werden, dass keine hinreichenden Angaben zum sicheren Vorgehen bei der Instandhaltung oder der Fehlerbehebung gemacht werden können, ist eine erneute Bestimmung des Manipulationsanreizes dringend empfohlen.

Verkauf

Bevor Sie eine Maschine verkaufen, trägt eine gute Beratung und die möglichst genaue Abklärung der Kundenbedürfnisse wirkungsvoll dazu bei, dass Schutzeinrichtungen an Maschinen später nicht manipuliert werden. Es gilt, den Käufer bei der Beschaffung so zu unterstützen, dass dieser eine für seine Bedürfnisse optimal zu bedienende Maschine erhält.

Vor dem Verkauf empfiehlt es sich daher, zusammen mit dem Kunden entscheidende Fragen zu klären:

  • Abklärung der Eignung der Maschine
    Kennen Sie den vorgesehenen Einsatzzweck und die Einsatzweise der Maschine beim Kunden? Ist die Maschine für den vorgesehenen Einsatz tatsächlich geeignet und haben Sie vom Kunden die genauen Anforderungen (am besten schriftlich dokumentiert) erhalten?
  • Sonderbetriebsarten
    Beim Arbeiten an der Maschine in Sonderbetriebsarten – beispielsweise beim Einrichten oder Rüsten – bestehen erfahrungsgemäß häufig spezifische Kundenbedürfnisse. Es ist daher unbedingt abzuklären, ob diese Bedürfnisse, wie sie der Kunde verlangt, mit den an der Maschine vorhandenen Betriebsarten erfüllt werden oder ob Nachrüstungen erforderlich sind.
  • Bedienungsfreundlichkeit
    Erfüllt die Maschine auch in ergonomischer Hinsicht die Kundenbedürfnisse und ist entsprechend bedienungsfreundlich? Dies ist insbesondere im Sonderbetriebsarten wichtig, da Kunden häufig direkte Einsicht in den Prozess benötigen.

Inverkehrbringen

Genau wie Betrieb, Einrichten, Reinigung oder Instandhaltung sind auch die Montage und Installation Lebensphasen der Maschine. Der Hersteller muss seine Maschine daher so konstruieren, dass diese Tätigkeiten ebenfalls ohne Manipulieren von Schutzeinrichtungen möglich sind. So wird zum einen das Personal des Herstellers durch sichere Arbeitsweisen geschützt. Zum anderen wird verhindert, dass das Manipulieren von Schutzeinrichtungen vorgelebt wird oder dass die Mitarbeiter des Herstellers vor Ort gar beim Manipulieren behilflich sind.

Auch gut durchdachte Schutzkonzepte eines Maschinenherstellers berücksichtigen oft nicht alle konkreten Anforderungen und Produktionsbedingungen beim Betreiber. Um sicherzustellen, dass trotzdem alle notwendigen Tätigkeiten ohne Manipulation der Maschine produktions- und bedienungsfreundlich durchführbar sind, müssen die Konzepte des Herstellers vor der Abnahme erneut mit den Betreiberanforderungen abgeglichen werden. Insbesondere bei Sondermaschinen empfiehlt es sich auch während der Konstruktion, z.B. zwischen einzelnen Konstruktionsphasen eine Kundenfreigabe einzuholen. So können teure, nachträgliche Anpassungen vermieden werden.

Die Möglichkeit gemäß den Betreiberanforderungen arbeiten zu können, ohne dafür Schutzeinrichtungen zu umgehen, ist natürlich nur der erste Schritt. Folglich müssen die vorgesehenen Arbeitsweisen allen Bedienern bekannt sein. Der Hersteller sollte sicherstellen, dass für den Betreiber Schulungs- oder Unterweisungsangebote zur Verfügung stehen oder diese selbst anbieten.

Weitere Informationen zum Thema finden sich in der DGUV Information 209-092, Abschnitt 2.2

Nach dem Inverkehrbringen

Nach dem Inverkehrbringen hat der Hersteller die Pflicht, den Einsatz seiner Maschine auf dem Markt zu beobachten. Das heißt, dass er auch nach dem Inverkehrbringen des Produktes dieses auf unentdeckt gebliebene Mängel sowie Gefahren verursachende Verwendungsfolgen hin beobachtet und – falls erforderlich – vom Markt zurückruft (siehe MVO, Artikel 10 (4)).

Wie kann der Hersteller feststellen, ob die eigenen Maschinen beim Kunden manipuliert werden? Dieses Wissen ist in der Regel bei Vertrieb und Wartungspersonal vorhanden, die den direkten Kontakt zum Kunden haben. Eine weitere Informationsquelle ist der Betreiber selbst. Sollten Berichte über gefährliche Situationen oder (Beinahe-)Unfälle vorliegen, so müssen auch diese herangezogen werden.

Aus den hieraus gewonnenen Erkenntnissen kann der Hersteller Rückschlüsse über das Schutzkonzept der Maschine ziehen und in die Konstruktion zukünftiger Maschinen einfließen lassen.

Weitere Informationen zum Thema finden sich in der DGUV Information 209-092, Abschnitt 2.2.

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