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Betreiben von Maschinen
Gefährdungsbeurteilung
In Betrieb befindliche Bestandsmaschinen sollten in regelmäßigen Abständen einer Gefährdungsbeurteilung unterzogen werden. Konkrete Anlässe für eine Überprüfung können z. B. Hinweise von Bedienpersonen, Sachschäden, Störungen, Änderung von Arbeitsverfahren oder des Standes der Technik sein. Eine sofortige Aktualisierung ist erforderlich, bei
- Veränderungen von Arbeitsmitteln oder Arbeitsbedingungen,
- neuen Informationen, z.B. Erkenntnissen aus Unfällen oder arbeitsmedizinischer Vorsorge sowie
- nicht wirksamen oder nicht ausreichenden Schutzmaßnahmen.
Ganz besonders gilt dies für Maschinen, die noch vor Einführung der Maschinenrichtlinie in Verkehr gebracht wurden und/oder für die keine Konformitätsbewertung durchgeführt wurde. Solche Altmaschinen weisen häufig einen niedrigeren sicherheitstechnischen Stand auf, als er für Neumaschinen gefordert wird. Oft fehlt es an solchen Maschinen an besonderen Betriebsarten für manuelle Eingriffe, wie sie etwa für das Einrichten der Maschine notwendig sind. Soll die Maschine eingerichtet werden, ist eine Manipulation der vorhandenen Schutzeinrichtungen dann unumgänglich.
Betrieb und Organisation
Maschinen dürfen im europäischen Wirtschaftsraum nur betrieben werden, wenn ihr Sicherheitsniveau dem Stand der Technik entspricht. Dies beginnt mit der Beschaffung und endet mit der Außerbetriebnahme. Damit Maschinen über die gesamte Lebensdauer auch sicher bleiben, muss der Betreiber Maßnahmen treffen, die über die reine technische Instandhaltung hinaus gehen.
Unterweisung als Maßnahme zur Sensibilisierung des Risikobewusstseins
Maschinen werden immer sicherer. Doch können die vielen Schutzeinrichtungen auch trügerisch sein. Die vermeintlich höhere Sicherheit verleitet Mitarbeitende zu einer höheren Risikobereitschaft. Besonders wenn die Verwendung von Schutzeinrichtungen zur sicheren Ausführung von Arbeitsgängen nicht bekannt ist, werden diese als störend empfunden, mit der Folge, dass das Risikoverhalten und damit auch der Manipulationsanreiz zunehmen.
Eine wiederholende Unterweisung der Beschäftigten kann nicht nur Kenntnisse erweitern und Fähigkeiten vermitteln, sondern auch Einstellungen erzeugen, ändern, verstärken oder sichern. Dabei sollten die Unterweisenden zu sicherem Verhalten motiviert und den Mitarbeitern gezeigt werden, wie sie sich verhalten dürfen oder müssen.
Ob die Mitarbeiter sich so verhalten, wie es bei der Unterweisung vermittelt, geübt und vereinbart wurde, zeigt sich häufig erst in der Praxis. Deshalb muss der Vorgesetzte dies auch kontrollieren. Man kann ein bisher übliches Verhalten nicht immer durch eine einzige Unterweisung auf Dauer unterbinden. Der Vorgesetzte muss deshalb Geduld haben, aber er muss auch konsequent sicherheits- und gesundheitswidriges Verhalten unterbinden.
Organisation der Wirksamkeitskontrolle von Schutzeinrichtungen
Für jedes Arbeitsmittel hat der Unternehmer in seiner Gefährdungsbeurteilung die Art und Umfang der erforderlichen Prüfungen festzulegen, dies beinhaltet auch Kontrollen der Funktionsfähigkeit von Schutzeinrichtungen. Bei der Festlegung der Prüffristen sind neben Herstellerhinweisen, die in der Betriebsanleitung enthalten sind, auch das aktuelle Manipulationsgeschehen im Unternehmen zu berücksichtigen.
Viele Manipulationen von Schutzeinrichtungen lassen sich bereits mit einer regelmäßigen Sichtprüfung feststellen. Folgende Hinweise deuten auf Manipulationen hin:
- Abgeschraubte Betätiger, die dauerhaft gesteckt werden.
- Aufgebohrte Schrauben oder leere Bohrlöcher deuten auf abmontierte Schutzeinrichtungen hin.
- Schrauben, bei denen der Sicherheitslack abgekratzt wurde. Dies deutet auf ein Entfernen einer Schutzeinrichtung hin.
- Ersatzbetätiger liegen am Arbeitsplatz herum oder werden von Mitarbeitenden bei sich getragen (z.B. Instandhalter). Deutet auf regelmäßige Manipulation hin oder ist zumindest eine schlechte Vorbildfunktion.
Werden Manipulationen bei der Sichtprüfung festgestellt, so sind diese zu beheben, zu dokumentieren und umgehend mit der Führungskraft zu besprechen. In größeren Betrieben eignet sich hierfür die ASA-Sitzung.
Eine regelmäßige Sichtprüfung ist von der verantwortlichen Führungskraft durchzuführen oder zu organisieren. Hier können die Sicherheitsfachkraft oder im Bereich vorhandene Sicherheitsbeauftragte unterstützen.
Die Sichtprüfung wird durch eine Funktionsprüfung der Schutzeinrichtungen ergänzt. Während Sichtprüfungen ohne einen Eingriff in den laufenden Prozess durchgeführt werden können, ist eine Funktionsprüfung vorab zu planen. Es bieten sich die regelmäßigen Wartungsintervalle an. Funktionsprüfungen dürfen nur von qualifizierten und unterwiesenen Mitarbeitenden durchgeführt werden. Die Organisation obliegt der Führungskraft.
Führungsverantwortung
Neben dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, sind Führungskräfte vor allem für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten verantwortlich. Niveau und Wirksamkeit des Arbeitsschutzes hängen ganz wesentlich von der Einstellung, der Handlungsbereitschaft und dem konkreten Tun oder Unterlassen der Führungskräfte und der Unternehmensleitung ab.
So zeigen laut einer repräsentativen aktuellen Umfrage Betriebe, in denen Manipulation – auch in Einzelfällen – von Führungskräften geduldet wird, gegenüber anderen Betrieben
- eine um 50 % erhöhte Manipulationshäufigkeit
- ein um 100 % erhöhtes manipulationsbedingtes Unfallgeschehen
Die wesentlichen Bestandteile der Führungsverantwortung im Arbeitsschutz können kurz wie folgt beschrieben werden:
- Auswahl:
Führungskräfte müssen geeignete und ausreichend qualifizierte Personen mit den Aufgaben betrauen. Mitarbeiter, die Sicherheitsanweisungen ignorieren oder Schutzeinrichtungen manipulieren, können als nicht ausreichend qualifiziert angesehen werden. - Organisation:
Führungskräfte sind verantwortlich für den sicheren Arbeitsablauf. Sie sollten sicherstellen, dass alle Mitarbeiter regelmäßig geschult werden und die Bedeutung der geltenden Sicherheitsregeln verstehen. Hierzu gehören insbesondere die Erstellung von Betriebsanweisungen und die Unterweisung der Beschäftigten. - Kontrolle:
Führungskräfte müssen in angemessener Weise die Umsetzung der veranlassten Maßnahmen überwachen und überprüfen, ob sie ausreichend sind. Sie müssen entdecktes Fehlverhalten von Beschäftigten beanstanden, sicherheitswidrige Zustände beseitigen und – falls erforderlich – gefährliche Arbeiten einstellen.
Um eine Manipulation von Schutzeinrichtungen wirksam zu verhindern, benötigt es eine offene Unternehmenskultur, die es Beschäftigten ermöglicht, gefährliche Verhaltensweisen und Betriebszustände ohne Furcht vor negativen Konsequenzen anzusprechen und so Manipulationsanreize systematisch zu beseitigen.
Die folgenden Fragen sollten sich Führungskräfte stellen:
- Wird bei Investitionsentscheidungen der Geschäftsführung die Sicherheit der Maschinen ausreichend berücksichtigt?
- Achten Führungskräfte bereits beim Einkauf auf die sicherheitstechnisch geforderte Ausstattung/Ausrüstung der Maschinen?
- Steht die Führungskraft bei Defekten oder Störungen an Maschinen als Entscheider zur Verfügung?
- Dulden Sicherheitsfachkräfte oder Führungskräfte unsichere Arbeiten?
- Werden die vermeintlich guten Gründe (schneller, besser, kein Produktionsstopp etc.) für Manipulationen systematisch erfasst, vorwurfsfrei diskutiert und abgestellt?
- Bereiten Instandhalter und Arbeitsvorbereiter Arbeits- und Wartungsverfahren so vor, dass sie sicherheitsgerecht ausgeführt werden können?
- Dürfen Beschäftigte Arbeiten, die nicht sicherheitsgerecht sind, ohne Furcht vor negativen Konsequenzen unterbrechen, damit die Defizite beseitigt werden können?
- Gibt es für Bediener und Sicherheitsbeauftragte unkomplizierte Kommunikationswege, um Mängel, Fehler und beobachtete gefährliche Tätigkeiten anzusprechen?
- Werden diese vorwurfsfrei gehört und prioritär behandelt?
- Wird bei beobachteten Manipulationen danach gefragt: „Wie können wir das ändern“, statt „Wer war das“?