|Praxishilfen|
Unfallbeispiele
Tödlicher Unfall an einer Verpackungsmaschine
Unfallhergang
Der Mitarbeiter betrat den Gefahrenbereich einer Palettieranlage, um neues Folienmaterial bereitzustellen. Dabei wurde er von der Haubenüberziehmaschine erfasst und tödlich am Kopf verletzt. Die Maschine war in Betrieb und die Sicherheitslichtschranken waren manipuliert worden, die Lichtschranken waren so weit nach oben versetzt worden, dass ein Zugang unterhalb der untersten Lichtschranke einfach möglich war. So wurden die Antriebe beim Betreten des Gefahrenbereichs nicht stillgesetzt.
Unfallursache
Die Sicherheitslichtschranken wurden manipuliert, um eine aufwändige Störungsbeseitigung zu vermeiden. Wenn die Lichtschranken unterbrochen wurden, z. B. um Folienmaterial nachzufüllen, entlüftete das pneumatische System und die Klemmgreifer öffneten sich. Dies führte dazu, dass die geraffte Folie manuell abgetrennt und neu eingefädelt werden musste. Durch das nach oben Versetzen der Lichtschranken war ein Zugang zum Gefahrenbereich möglich, ohne dass das pneumatische System entlüftet wurde.
Unfallverhütung
Der Unfall hätte vermieden werden können, denn der Manipulationsgrund ist leicht zu beseitigen. Es ist sicherheitstechnisch möglich, die Klemmgreifer so zu konfigurieren, dass sie sich bei Lichtschrankenunterbrechung nicht öffnen und nur die gefährlichen Bewegungen der Palettieranlage stillgesetzt werden. Diese Änderung hätte den Zugang zum Gefahrenbereich ohne aufwändige Störungsbeseitigung ermöglicht.
Tödlicher Unfall an einer CNC-Drehmaschine
Unfallhergang
Ein erfahrener Arbeiter war beauftragt, an einer CNC-Drehmaschine eine Edelstahlwelle zu bearbeiten. Im Fortgang der Arbeiten öffnete der Mitarbeiter die Schutztür und beugte sich in den Arbeitsraum hinein. Dabei wurde er vom rotierenden Dreibackenfutter erfasst und in die Maschine eingezogen. Hierbei erlitt er tödliche Verletzungen.
Unfallursache
Da Arbeitsvorgang im Automatikbetrieb durchgeführt wird, ist der Bediener hier im Normalfall durch eine Schutztür vor den gefahrbringenden Bewegungen der Maschine geschützt. Aus nicht bekannten Gründen hatte der Dreher jedoch den mechanischen Betätiger der Verriegelungseinrichtung nachgefertigt und in den elektromechanischen Türschalter eingesteckt. Die schützende Funktion der Schutztür war somit aufgehoben.
Unfallverhütung
Um ein erneutes Umgehen der Schutzeinrichtung zu verhindern, wurde der Positionsschalter der Schutztür durch eine Verriegelungseinrichtung mit hoher Kodierung ersetzt. Zukünftig ist das Umgehen auf einfache Weise nicht mehr möglich. Der Betreiber führte zusätzlich innerbetriebliche Sonderunterweisungen zur bestimmungsgemäße Verwendung der Werkzeugmaschinen und ihrer Schutzeinrichtungen durch.
Maschinenbediener verliert kompletten Arm an einem Walzeneinzug
Unfallhergang
Ein Maschinenbediener wollte die zahnbesetzten Walzen einer Kardiermaschine von Verunreinigungen befreien. Hierzu öffnete er, während die Maschine austrudelte, die Schutztür und betrat den Arbeitsraum der Maschine. Während des Reinigungsvorgangs wurde der zur Reinigung verwendete Schlauch im Bereich der Abnehmerwalze erfasst und eingezogen. Beim Versuch den Luftschlauch herauszuziehen, geriet der Bediener mit der Hand in die Einzugsstelle. Aufgrund des großen Massenträgheitsmoment lief die Maschine ungebremst weiter und zog den linken Arm des Bedieners bis zur Schulter mit ein.
Unfallursache
Um bereits beim Auslaufen der Maschine mit der Störungsbeseitigung beginnen zu können, überbrückte der Bediener aus Gründen der Zeitersparnis die Zuhaltevorrichtung durch Nutzung einer für Instandhaltungszwecke vorgesehenen Sonderbetriebsart. Die Sonderbetriebsart ist jedoch nur für bestimmte Instandhaltungstätigkeiten, z. B. beim Garniturwechsel, zulässig und bleibt speziell hierzu qualifiziertem Fachpersonal vorbehalten. In dem Betrieb, in dem sich der Unfall ereignete, war es hingegen gängige Praxis geworden, dass der Schlüssel zur Wahl der Betriebsart ständig im Schalter steckte.
Unfallverhütung
Der Schlüssel zur Wahl der Betriebsart darf nur besonders fachkundigem und geschultem Personal zugänglich sein. Diese Beschäftigten sind sorgfältig anhand ihres Qualifikationsniveaus auszuwählen und regelmäßig über Gefahren und Ersatzmaßnahmen zu unterweisen. Die Schaltberechtigung sollte schriftlich vom Unternehmer erteilt werden. Es empfiehlt sich, den oder die Schlüssel bei einem Verantwortlichen zu verwahren und die Schlüsselausgabe mit Datum und Aufgabenstellung für die Schalthandlung zu dokumentieren.
Eine nur für besondere Tätigkeiten vorgesehen Sonderbetriebsart darf zudem nicht ständig aktiv sein. In der Maschinensteuerung sind daher Maßnahmen vorzusehen, die ein einen nicht-bestimmungsgemäßen Dauerbetrieb erkennen und im Fall der Zuwiderhandlung die Maschine stillsetzen.
Leiharbeiter wird an Fräsmaschine schwer verletzt
Unfallhergang
Ein Leiharbeiter war damit beauftragt, an einer horizontalen Fräsmaschine Gewinde in Bohrungen zu fräsen. Nach Beendigung des Arbeitsvorgangs trat der Arbeiter zur Überprüfung der Bohrungen durch die Schutztür in den Arbeitsbereich der Maschine. Bei der Kontrolle der Gewindetiefe mithilfe eines Prüfdorns setzte sich die Fräsmaschine – trotz geöffneter Schutztür – auf einmal unbeabsichtigt in Gang. Die Spindel der Fräsmaschine erfasste die Jacke des Leiharbeiters und begann sie einzuziehen. Beim Versuch, sich zu befreien, stürzte der Leiharbeiter so unglücklich, dass er schwerste Verletzungen an Rippen und Lunge davontrug.
Unfallursache
Da der Arbeitsvorgang im Automatikbetrieb durchgeführt wird, ist der Bediener durch die Verriegelung der Schutztür vor den gefahrbringenden Bewegungen der Maschine geschützt. Wird die Schutztür geöffnet, wird die Maschine sicher stillgesetzt und ein unerwarteter Anlauf verhindert. Die Verriegelungseinrichtung der Schutztür war jedoch mithilfe des von der Tür der Maschine abgeschraubten Betätigers manipuliert. Wie sich herausstellte, war die Manipulation im Betrieb bereits seit längerem bekannt und wurde offenbar auch von Vorgesetzten geduldet. Dem Leiharbeiter selbst war die Manipulation nicht bekannt gewesen.
Unfallverhütung
In der Aufarbeitung des Unfalls wurde die Gefährdungsbeurteilung überarbeitet und die Maschine mit hochkodierten Positionsschaltern zur Erschwerung der Manipulation nachgerüstet. Zusätzlich wurde das Sicherheitskonzept der Maschine überarbeitet, um den Anreiz, die Maschine zu manipulieren, herabzusenken.
Tödlicher Unfall an einer Becherfüllmaschine
Unfallhergang
In der Nachtschicht trat an einem Bechereinpacker eine Störung auf. Der Maschinenführer informierte einen Schlosser, der die Ursache beheben sollte. Um die Störung zu finden, öffnete der Schlosser eine seitliche Schutzverkleidung der Maschine und überbrückte den dazugehörigen Positionsschalter mit einem Ersatzbetätiger.
Während der Schlosser die Ursache der Störung begutachtete, beugte er sich in den Gefahrenbereich der Maschine. In diesem Moment wurde sein Kopf vom Greifer der Maschine eingeklemmt und er erlitt tödliche Verletzungen. Nach diesem Unfall erlitten sechs Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des Unfalls anwesend waren, eine posttraumatische Belastungsstörung.
Unfallursache
Die Schutzverkleidung wurde geöffnet, um die Ursache der Störung zu finden. Der Positionsschalter wurde überbrückt, um die Maschine bei geöffneter Verkleidung betreiben zu können.
Unfallverhütung
Der Unfall hätte vermieden werden können, wenn geeignete Schutzmaßnahmen die Störungsbeseitigung vorgesehen worden wären, z. B. der Einsatz eines Tippbetriebs mit Zustimmungsschalter. Die im Normalbetrieb sinnvolle Schutzverkleidung ist für diese Tätigkeit störend. Es ist daher wichtig jede Schutzeinrichtung für jede Tätigkeit hin auf ihren Manipulationsanreiz zu bewerten.
Armamputation an einer Coating-Trommel
Unfallhergang
Ein Mitarbeiter entnahm während der laufenden Produktion eine Probe aus einer Coating-Maschine. Die Maschine war so manipuliert, dass sie trotz geöffneter Schutzeinrichtung laufen konnte. Dies war möglich, weil die Halterung des Verriegelungsschalters der großen Frontscheibe abgetrennt worden war.
Mitarbeiter verlor dabei verlor er seinen rechten Arm in der Scherstelle zwischen Trommelunterkante und Reversierschaufel.
Unfallursache
Es gab anhaltende Probleme mit der Qualität der Beschichtung. Die Produktionsparameter mussten daher während der Produktion mehrfach überprüft werden. Um den Prozess nicht zu unterbrechen halten, griffen die Mitarbeiter häufig in die geöffnete laufende Maschine ein.
Unfallverhütung
Der Unfall hätte vermieden werden können, hätte man bereits in der Konstruktionsphase der Maschine eine Probeentnahme berücksichtigt und geeignete Schutzmaßnahmen vorgesehen. Hier wird deutlich, dass potenzielle Gefährdungen reduzierbar sind, wenn sich Betreiber und Hersteller im Vorfeld über die genauen Produktionsabläufe verständigen.